Oberberg-Aktuell.de: Nuhr pur: „Vegan, glutenfrei und halal“

10.10.2022

Gummersbach – Der Kabarettist Dieter Nuhr gastierte mit seinem Programm in der SCHWALBE arena und demonstrierte, dass das Leben „kein Scherz“ ist, aber trotzdem Spaß machen kann.

Kaum die Bühne in der Gummersbacher SCHWALBE arena betreten, schon ist der erste Aufreger lokalisiert: „Die Virenschleudern sitzen direkt neben ihnen“, weiß Dieter Nuhr und gibt sich selbst mit dem unsichtbaren Elefanten „Corona“ die erste Steilvorlage, um den aktuellen Zeitgeist fortdauernder Medienerregung mit einer seiner typischen verbalen Blutgrätschen direkt zu foulen. „Ich freue mich über Geimpfte, Genesene und Ungeimpfte“, lässt er seine 1.100 Zuhörer wissen, aber „wenn ich irgendwann nach einem Unfall auf die Intensivstation muss und das Bett ist von einem Impfgegner belegt, habe ich keine Skrupel, dessen Schläuche zu zerschneiden und denjenigen aus dem Fenster zu werfen“.

Er selbst finde das Impfen schlau und die Impfgeschichte sei mitnichten der Intelligenztest einer außerirdischen Macht. Als Meister der entwaffnenden Unbefangenheit seziert Dieter Nuhr im Fortgang des Abends die überhitzten Schlagzeilen medialer Berichterstattung, entlarvt die hochgejazzte gesellschaftliche Empörung über angebliche Skandale und lässt deren Hyperventilation in oft saukomischen Pointen zerschellen. Genüsslich folgt ihm sein Publikum bei den Exkursionen in die Welt der Pandemie, der hippen Identitätsdebatte, des Klimawandels, der Elektromobilität und auf die Spielplätze von Helikopter-Eltern. Klar habe sich Erdogan über Kubickis Titulierung als „kleine Kanalratte“ aufregen müssen, denn das Attribut „klein“ habe ihn offensichtlich diskreditieren sollen.

Genüsslich widmete sich Nuhr den überbordenden Verspannungen gendergerechter Sprache und der Identitätsdebatte, Themen, die allseits lauernd jedermann/frau wie der berühmte Kaugummi unter der Schuhsohle kleben. „Die drehen doch alle am Rad“, aber weil heutzutage jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und Witze permanent ideologisch interpretiert würden, habe er konsequent jegliche Beleidigungen aus seinem Programm gestrichen. „Das wars dann mit Witzen“, hielt der den freudigen Erwartungen des Publikums nach einer Kunstpause augenzwinkernd den Spiegel entgegen, um sich im Gegenzug direkt selbst auf den Arm zu nehmen: „Nein keine Sorge – ich präsentiere es jetzt vegan, glutenfrei und halal“.

Gerade erst habe er ein Buch über feministische Architektur gelesen, in dem Hochhäuser als Phallussymbole interpretiert würden. Beim Nachdenken darüber stelle sich ihm allerdings die Frage, ob das dementsprechende weibliche Geschlechtspendant die Tiefgarage sei. Heutzutage könnten neben Gesten und der Sprache selbst Blicke als übergriffig gewertet werden, sodass alle Akteure zwischen Vorspiel und Liebesakt noch mal gezwungen seien, kurz die allgemeinen Geschäftsbedingungen zu klären. Wenn er einen Klempner brauche, sei ihm egal, ob der hetero- oder homosexuell sei, Hauptsache, er sei pünktlich, positionierte sich der Träger des NRW-Verdienstordens für absolute Gleichberechtigung.

Scharfsichtig beobachtet, aber irre abgedreht geschildert, brandmarkte er die Erziehungsmethoden moderner Helikopter-Eltern als pädagogisch verkorkst und verfehlt. „Wer früher scheiße spielte, wurde nicht zum Völkerball gewählt und musste damit klarkommen“. Nach 90 durchgängig unterhaltsamen Minuten und einem Wortfeuerwerk aus herausfordernder Rotzlöffeligkeit und befreiender Normalität verabschiedete sich Dieter Nuhr von seinem begeisterten Publikum, das dem Meister mit seinem tosenden Applaus noch zwei Zugaben entlockte.

 


Quelle: Oberberg-Aktuell.de